Stellungnahme des Fraktionsvorsitzenden Joachim Pöschel zum Vorhaben "Rückhalteraum Elisabethenwörth"

Veröffentlicht am 06.08.2015 in Ortsverein


Immer wieder beschäftigt den Gemeinderat der Bau und Betrieb eines Rückhalteraumes "Elisabethenwört". Zur Festlegung des Untersuchungsrahmens der Umweltverträglichkeitsprüfung hatte die Stadt an das Landratsamt bzw. Regierungspräsidium Karlsruhe Stellung zu nehmen.


 Grundlage dazu war ein 45seitiger Bericht des Büros IUS Weibel & Ness.
Inhaltlich ist das Papier von Weibel und Ness im Kapitel 3.1 (Bestandssituation) brandgefährlich, S. 9 u. 10. Zitate zur landwirtschaftlichen Nutzung, zur Waldfläche, zur auentypischen Vegetation, zu den bestandsbedrohten, auetypischen Arten, zur Verschlammung des Rußheimer Altrheins. Ganz krass ist S. .10 die Aussage zum NSG: Zitat: „Trotz der hohen Tierartenzahlen sind heute schon erhebliche Defizite an auetypischen Arten und Gemeinschaften belegt, welche sich ohne die Wiederherstellung naturnaher, auertypischer Verhältnisse in Zukunft noch weiter verstärken werden.“ Für die Entscheider am „Grünen Tisch“ rufen solche Aussagen geradezu nach einer Dammrückverlegung und der größtmöglichen Stau-Variante!! Da steht nichts drin von den Arten der Roten Listen: 20 % der Vögel und Fische, über 50 % der Libellen, über 60 % der Amphibien. Da ist nichts zu lesen davon, dass mit den Überflutungen die nichtauetypischen Arten verschwinden werden, weil keine vergleichbaren Lebensräume im Umland vorhanden sind. Eine sog. Renaturierung würde das NSG Elisabethenwört zerstören, weil weder die hier heimisch gewordenen Rote-Listen-Arten noch der schützenswerte Laubholzmischbestand hochwassertolerant sind. Fakt ist, es wird ein Lebensraum mit einem einzigartigen seltenen Arten-Vorkommen zerstört, nur weil einige von einem nostalgisch-romantischen Auen-Idealbild träumen. Das ist purer Zynismus! Was legitimiert die Planer bzw. sog. „Naturschützer“ eigentlich, darüber zu entscheiden, welche Population schützenswerter und damit lebenswerter ist? Die heutige oder die künftige?
Zum Klimawandel: Fakt ist auch, dass in unseren Raum Mückenarten eingewandert sind, die tropische Krankheiten  übertragen (West-Nil-Virus). Eine Dammrückverlegung mit zahlreichen Tümpeln wäre eine ideale Brutstätte für diese Viecher. Eine zusätzliche Gefährdung unserer Bevölkerung lässt sich nicht ausschließen. Zusammen mit den ökologischen Flutungen auf der Rheinschanzinsel würde hier ein überregionales Zentrum für tropische Mückenarten entstehen. Wer übernimmt hierfür konkret/ namentlich die Verantwortung?
Auf S. 3 u. 4 wird die „Eignung aus technischer Sicht“ abgehandelt. S.4: „ Aus technischer Sicht konnte durch den hydrologischen Wirksamkeitsnachweis gezeigt werden, dass der Raum Elisabethenwört die Randbedingungen zur Erreichung der Hochwasserschutzziele erfüllt.“ Diese Dokumentation bezieht sich aber auf die Voruntersuchung von 1992 und ist somit veraltet. Ist der vernetzte Wirkungskreis mit dem Polder Rheinschanzinsel berücksichtigt? Wenn nicht, ist diese Aussage eine Irreführung! Das Referat 53.1 ist nur für Elisabethenwört zuständig und betrachtet Elisabethenwört als singuläre Maßnahme. Das Referat 53.1 muss aber nachweisen, dass seine Untersuchungen die Konnexität mit der Rheinschanzinsel abgearbeitet hat, dass die gegenseitige Beeinflussung und  Rückkopplungen gesehen und bewertet wurden. Ohne die Einbeziehung des korrespondierenden Polders Rheinschanzinsel sind die Untersuchungsinhalte, die Planungsinhalte und die Wirkungsanalysen unvollständig und angreifbar!
 In dem betroffenen Gebiet wechseln die Bodenarten sehr kleinräumig. Hinzu kommen historische Gräben und verlandete Mäander-Rheinarme. Dieses Konglomerat ist schwierig modellhaft zu erfassen. Dazu fehlen konkrete Aussagen!
Wir wissen auch, dass es bei lang anhaltenden Niederschlägen und gleichzeitigem Rheinhochwasser zum Rückstau des von der Niederterrasse/Hochgestade anfallenden Grundwassers kommt. Je länger das Rheinhochwasser ansteht, desto problematischer werden die binnenseitigen Grundwasseranstiege. Das betrifft in erster Linie Rheinsheim, da die Grundwasserströmung von Elisabethenwört zum Rhein über Rheinsheim führt. Auch dazu gibt es über den korrelierenden Wirkungskreis in den Planungsunterlagen keine Aussagen!
Auf den Seiten 6 und 7 werden die Dämme und die Frage nach dem Neubau eines Schöpfwerkes abgehandelt. Für die kleine und mittlere Variante „kann auf den Neubau eines Schöpfwerkes und die Verstärkung des Entleerungsbauwerkes verzichtet werden.“ Das verwundert, denn natürlich hat die Überflutung der Elisabethenwört Einfluss auf das Schöpfwerk-Management. Bereits heute, ohne Elisabethenwört,  arbeitet das Schöpfwerk nicht problemlos. Für die große Variante wird der Neubau eines Schöpfwerkes als notwendig erachtet. Es werden aber keine Untersuchungsvorgaben offengelegt, wo soll der Standort sein, welche Ausstattung und welches Betriebsmanagement sind vorgesehen? Fehlanzeige! Erfolgt der Abschlag weiterhin über den Rheinniederungskanal, muss das heutige Schöpfwerk aufgerüstet werden.
 Die AG Ingenieursplanung und Grundwasser soll sich begleitend mit allen Planungsschritten befassen, die Ingenieursleistungen erfordern, wie z. B. die grundwasserhydraulischen Berechnungen, hydraulischen Berechnungen oder die Bauwerksplanungen. Die AG soll sich dabei insbesondere auch der Frage annehmen, ob eine konkrete Betroffenheit durch Grundwasser von den baulichen Anlagen heute und im Zuge der Planung besteht und mit welchen Maßnahmen ggf. schadbringende Grundwasseranstiege wirkungsvoll vermieden werden können.
Der Planer hat die Aufgabenstellung, eine nicht messbare worst-case-Situation berechnen zu müssen: eine Gleichung mit vielen Unbekannten/Annahmen. (Für das Betriebsmanagement des Polders Rheinschanzinsel ist z. B. als binnenseitige Maßnahme prophylaktisch/rechnerisch der Pfählmorgensee  vorgesehen. Die Praxis muss die Theorie erst noch bestätigen – dies gilt auch für Elisabethenwört.)
Eine Dammrückverlegung mit korrespondierendem Rheinwasserstand wird sich anders auf die binnenseitigen Grundwasseranstiege auswirken als ein gesteuerter Polder. Das Gleiche gilt für die binnenseitigen Maßnahmen zur Vermeidung von schädlichen Grundwasseran- stiegen. Hinzu kommt, dass bei den Retentionsvarianten die anfallenden Druckwasser bzw. Niederschläge vom Hochgestade zu unterschiedlichen Wirkungsweisen führen.
Deshalb sind für alle 6 Planungsvarianten separate Wirkungsanalysen und Bewertungsdokumentationen vorzulegen!
Die AG Ingenieursplanung und Grundwasser wird im Rahmen der Bedarfsplanung der Variantenuntersuchung ihre Arbeit erst im letzten Quartal 2015 aufnehmen. Die „unterirdischen“ Erkenntnisse können Einfluss auf die „oberirdischen“ Notwendigkeiten und binnenseitigen Planungs- und Sicherungsmaßnahmen (z. B. Dämme) haben. Da jedoch die AG erst Ende 2015 ihre Arbeit aufnimmt, können die Ergebnisse der AG Ingenieursplanung und Grundwasser bzw. ihre Bewertungen und Vorgaben derzeit überhaupt nicht berücksichtigt werden. Es sei denn, das Referat 53.1 hat diese bereits festgelegt und die AG ist eine reine Show-Veranstaltung.
Bei all diesen vielen offenen Fragen und Belastungen ist eines aber sicher: Die Sanierung der Rheindämme darf nicht auf den St. Nimmerleinstag verschoben werden. Sie muss jetzt erfolgen.
 
Stephan Seifert
Vorsitzender
 
 

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